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Die Vergessenen

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Kreischen in tiefschwarzer Nacht, der Mond als stiller Zeuge, zweier erbitterter Rivalen. Ein Kampf um das Revier, oder die Mädels. Ein Kampf um Leben oder Tod. Blutig, hart und erbittert. Es sind Töne, die von Zorn und Hass klagen, von Schmerz und Leid.
Töne die einem die Haare zu Berge stehen lassen und das Herz schneller rasen lässt.

Schon wieder geraten sie aneinander. Schon wieder sind es die beiden großen Kater der Südstadt, die hier in unser Heim eingedrungen sind. Krallen blitzen auf, Zähne gebleckt. Spuckend und Fauchend verkeilen sie sich ineinander. Kater Alpha hat alle Pfoten voll zu tun, die beiden Jüngeren in Schach zu halten. Ich kann es kaum mit ansehen, liege geduckt, mit weit aufgerissenen Augen und großen Pupillen da.

Plötzlich ist es still. Ruhe kehrt ein. Das Ungeheuer der Nacht zieht vorbei. Alles wie vorher. Der Tag bricht an und wieder eine tote Katze am Straßenrand. Lernen es die blöden Roadies nie?
Hier ist eine 30iger Zone, trotz allem hämmern sie des Nachts wie die irren entlang.
Armer Kater, es ist einer, man kann es sehen. Schnell ein Foto, vielleicht vermisst ihn jemand?
Auf zum TA.
Kein Chip, keine Tätowierung, keine Kastration. Wer setzt hier ständig seine Katzen aus?

Wir hatten es alle erwartet, er war mit seinen 4 Jahren einfach schon zu alt gegen 2 andere Kater. Verwundet musste er fliehen. Kopflos, wie so mancher vor ihm. Ich hatte ihn gemocht, maunzte traurig und sehr leise hinter her. Strahlen der Sonne in tiefer Nacht erblickten meine Augen, diese Strahlen hatten die vielen Kästen eingefangen. Ein quietschen, ein stummer Schrei. Wieder war einer in das Himmelszelt aufgebrochen. Müde und schlapp senkte ich meinen Kopf. Bekam kaum Luft. Krankheit zerrte meinen Körper. Die beiden neuen begutachteten ihr Reich, ihre Kolonie.

Ein schöner Tag, so friedvoll! Die eigenen Katzen sicher in der Wohnung, begibt man sich hinab in den Garten um diesen mal vom Unkraut zu befreien. Hier und da sah man die Nachtbars Katzen, eine oder zwei unbekannte. Freigänger sollte man ziehen lassen. Wahrscheinlich waren sie es, die sich in der Nacht kurz gekloppt haben!
Futter stellen bestimmt die Nachtbars raus. Was für ein schöner Tag!

Kein schöner Tag. Die Sonne brennt vom Himmel. Keine Beute. Überall stromern die Menschenkatzen und meiden und vertreiben uns. Ausgestoßene, nicht mehr gewollte, vergessene. Wir sind die Unsichtbaren, verkriechen uns, unscheinbar.
Ich bin Rollig und beide Kater begehren mich. Das ist stress. Ich muss sie beide Glücklich machen während sie mir wehtun. In der Dämmerung, dann wenn kein Mensch und die meisten Hauskatzen weg sind. Mein Körper schmerzt, die Luft ist so knapp. Aber die Instinkte, sie führen mich. Leiten mich.
Zwei Kater. Zwei Väter.


Wieder das Geschrei, diesmal irgendwie anders. Melodischer. Katergesang? Mitten in der Nacht? Wär lässt denn einen potenten Kater ins freie?
Straßenkatzen können es nicht sein, die gibt es nicht. Hat man und Stadt jedenfalls geschrieben. Selber hatte man noch nie welche zu Gesicht bekommen. Also gibt es sie einfach nicht.
Diese schreie! Kann es nicht endlich mal ruhe sein?
Die eigenen Katzen werden bereits verrückt von dem Lärm draußen, stress und Unwohlsein. Diese armen, armen Hauskatzen!

Mein Bauch ist so lehr, dass er schmerzt. Ich finde zu wenig Futter und habe doch Leben in mir. Mein Atem ist immer noch nicht besser, jede Bewegung versuche ich mit weit offenem Maul mehr Luft rein zu ziehen. Sie treten, was zusätzlich schmerzt, Milch in den Leisten zieht den Bauch hinab. Sie sind nicht mein erster Wurf und ich zähle noch keine 12 Monate. Hier draußen, hier auf der Straße, da fängt der ernst des Lebens früh an. Sehr früh!

Weitere tote Katzen vom Seitenstreifen der Stadt aufgegabelt. Es wird Herbst, woher kommen die ganzen Tiere? Ohne Chip? Ohne Erkennung? Potent? Weiterhin wird drauf beharrt, dass es keine Straßenkatzen gibt. Man sieht sie nicht, also existiert auch kein Problem!
Trotzdem geben die nächtlichen Konzerte einem zu denken. Die vielen Katzenhaufen, die vielen Katzen die scheinbar keinem gehören. Letzens sah man eine kleine, zierliche und komisch geformte Katze, eine Schildpatt. Sie war dünn, hatte aber ein Kugelbäuchlein. Ob sie Trächtig war?
Dann würde die Stadt scheinbar Lügen verbreiten!

Die Wehen setzen ein. Ich ziehe mich zurück, eine meiner Schwester ist bei mir. Sie hilft mir, beruhigt mich. Zu schwach um wirklich meinen Instinkten nach zu gehen, gebe ich mich einfach dem Pressen hin. Jeder einzelne Schmerz grenzt an unerträgliches. Man hört mich nur still und leise stöhnen. Laut ist die Atmung, Laut auch die stummen, für den Menschen nicht wahrnehmbare Rufe. Meine Schwester macht das gut. Die Nabelschnüre trennt sie, die Plazenten der neugeborenen frisst sie. Für mich lässt sie auch eins über, zur Stärkung. Es hat mir sämtliche Energie gezogen. Zitternd und nach Luft japsend lieg ich da, erfüllt von Quietschen und Saugen. Leichte Schmerzen durchzucken den Bauch. Ich fange an zu Schnurren um jene Qualen weg zu bekommen.
Sie legt sich hinter mich, ist bei mir, tröstet mich.


Nun hat man sie gesehen, die Schildpatt und ihren Nachwuchs. Sie sah nicht gut aus, der Nachwuchs erst recht nicht. Verklebte Augen, blau und Milchig. Die Mutter hatte das Maul auf, bekam schlecht Luft. Ihr Bauch war immer noch leicht Dick, vielleicht von den Würmern? Die Kitten sahen ähnlich aus… vielleicht 4 Wochen alt. Es waren nur 5, tapsten hinter der Mutter her. Dünn, zittrig, mit Triefnasen. Verklebt, verdreckt. Langsam ging man ihr nach, hinter dem Wald, ein kleines Stück, lag eine kleine Mülldeponie. Katzen huschten weg, bevor das Auge sie erfassen konnte. Lehr schien es, wüsste man nicht, dass die Geräusche von schweren Atem, rasseln, niesen zu ihnen gehört.
Straßenkatzen!

Sie hatten uns entdeckt. Zuerst war es wunderbar, brachten sie uns doch das Futter, was wir alle so dringend benötigten. Gerade meine Schwester und ich, mit unseren Kitten. Sie hat nur 2 am Balch, ich 5. Sie kam mit ihren 3en nicht zurecht, also hatte ich ihr eins abgenommen. So macht man das in der Familie. Man gibt aufeinander Acht und wechselt sich ab.
Bald schon aber kamen die Käfige, die ersten Katzen wurden darin gefangen. Sie kamen nach einigen Mondnächten wieder zurück, rochen aber komisch. Schließlich ging ich selbst in ein solchen Käfig, von Hunger und Schwäche getrieben.


So viele Katzen, die es zu Kastrieren galt, die Stadt scherte sich immer noch nicht. Viele Menschen begehrten auf, halfen, fingen, Kastrierten, Fütterten. Unsummen an Geld wurde für die Tiere, die Säuberung, die Erkrankungen, das Elend ausgegeben. Mütter und ihre Kitten wurden Gefangen, aufgepäppelt, die Kitten mit mehr Milch aufgezogen. Die Mütter kastriert, geimpft und nach 12 Wochen wieder hinaus in die Kolonie gelassen. Die kleinen hatte man all die Zeit begleitet, sie waren an Menschen recht gut gewöhnt und konnten in sehr liebevolle Hände vermittelt werden.
Einige Mütter konnte man nicht Fangen, also hatte man nur die Babys, andere Babys waren zu alt, als dass man sie hätte Zähmen können, Kastrieren, Fangen und Füttern, Füttern, Füttern.
Viel Seuche und Schnupfen kursierte unter ihnen, viele waren verfilzt, verwahrlost, andere hatten sich wohl durchgeschnurrt. Manche mochten Menschen, vielleicht hatten sie selber mal welche?
Andere, wie diese hübsche Schildpatt waren misstrauisch, ängstlich. Wild. Hier geboren. Hier aufgewachsen. Noch nicht alt, aber bereits einen Wurf bei sich. So verkrustet und kaum zu Atem kommend. Krank und Abgemagert.
Das ist das Leid der Straßenkatzen.
Geister, die man nicht war nimmt, Verschollene, Verachtete, Ungewollt.
Krank, Hungernd, Ängstlich.

Wir haben Hunger, haben leiden. Wir leben zusammen, aber auch das ist hart. Kämpfe der potenten Kater, Rolligkeit der potenten Katzen. Ständiges Austragen und aufziehen der Kitten, wo wir doch selber so sehr Hunger leiden.
Warum?
Warum helft ihr uns nicht?
Wir sind euer Produkt, eure Taten, warum verstoßt ihr uns?
Ihr sagt, Katzen fressen Vögel! Machen die Beete kaputt!
Katzen gehören nicht nach draußen, sie gehören in keine Ökologische Nische.

Warum lasst ihr uns dann hier draußen allein?
Warum lasst ihr uns leiden, uns hungern, uns frieren?
Warum lasst ihr uns Vermehren?


© by Nadine Dinstühler
Ein Text über die Straßenkatzen, Streuner und all jene, die man nicht direkt sieht, dessen Leid aber unheimlich groß ist!
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